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Industrieansichten
Eine Beschreibung meiner Arbeit
Industrielle Strukturen und Formen sind allgegenwärtig. Alles in
unserer gewöhnlichen Lebenswelt Sichtbare und alles täglich Benutzte
ist industriell hergestellt und in seiner Form gestaltet. Ohne
industrielle Produktion ist unser Leben nicht mehr vorstellbar. Von
daher liegt die Annahme nahe, dass die Industrie in ganz besonderer
Weise Einfluss auf das Lebensgefühl der heute lebenden Menschen hat.
Mein Interesse an Industrieanlagen äußert sich zunächst ganz spontan
darin, dass ich Lust habe mich dem Gesehenen zeichnerisch
anzunähern. Dabei handelt es sich zum einen um Dinge, die im
Zusammenhang stehen. Sie verweisen auf folgerichtig ineinander
greifende Abläufe und somit auf das Vorhandensein einer inneren
Logik. Zum anderen geraten aber auch Dinge in den Focus, die nicht
zugeordnet werden können - Liegengebliebenes, Abfall, Schmutz. Neben
der Ordnung erscheint die Unordnung. Die Maschinen und Bauten weisen
immer deutlich Ge- und Verbrauchspuren auf. Das verweist auf ihre
Zeitlichkeit.
Obwohl der Gegenstand Ausgangspunkt meiner Arbeit ist, löse ich mich
im weiteren Schaffensprozess von ihm. Nicht an seiner Abbildung bin
ich interessiert sondern an einem Sehen, dass vor-urteilsfrei
Eindrücke aufnimmt. Am Anfang meiner Arbeit steht die Skizze, die
ich später im Atelier für meine Arbeit am Druckstock oder an der
Leinwand nutze. Dabei konzentriere ich mich auf die gestalterischen
Mittel und die Suche nach einer überzeugenden Komposition.
In der Abstraktion vom Gegenstand suche ich nach den primitiven
Formen und Rhythmen der Dinge: nach dem, was schon sichtbar ist,
bevor der Gegenstand einem Begriff untergeordnet wird. Es muss
einen, wenn auch nur sehr kurzen, Moment geben, in dem der Blick
noch nicht durch begriffliches Denken festgelegt ist. Diesem "ersten
Blick" will ich mich annähern.
Ich will den Betrachter inspirieren und ihn zu einem
vorerwartungsfreien Sehen anregen. Meine Arbeiten sollen Schaulust
bereiten. Ich hoffe damit auch dem Betrachter eine ganz besondere
Erfahrung zu ermöglichen: die visuelle Erfahrung seiner eigenen
Individualität. Das einzigartige und damit unverwechselbare "Ich"
konstituiert sich nicht im logischen Denken, sondern ist vielmehr
eng an unsere Sinnlichkeit gebunden und achtzig Prozent unserer
Sinneswahrnehmungen sind Sehen.
Uwe P. Schierholz, Norden im April 2012
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